Rituale sind nicht nur die selten pompösen Prozessionen in festlichen Roben mit Kerzenlicht und Klang. Oft bedienen sie sich keiner magischen Sprüche oder Gebete und brauchen keine Zauberstäbe und Rauchschalen. Sie finden nicht nur an spezielle Orten wie Kirchen oder in Tempeln statt. Es sind zumeist die kleinen Dinge, die wir nicht bemerken. Von klein auf werden sie uns tradiert, die meisten von ihnen unbewusst. Es gibt Rituale zu jeder Jahreszeit, für jede Situation und an jedem Fleck der Erde. Sie unterscheiden sich in Form und Farbe, durch Ablauf und Dauer, im Beteiligungsausmaß und Zweck, doch haben sie alle etwas gemeinsam. Sie sind symbolhafte Mittel der Kommunikation mit uns selbst und mit unserer Umgebung. Sie stiften einen Gemeinschaftssinn und lassen uns an etwas Großem teilhaben. Vermitteln Ordnung, Verständnis und ein Gefühl. Sie sind ein Erlebnis, das das Alltägliche inszeniert und unsere Aufmerksamkeit schärft.

Durch sie kann der Sonntagsputz zur rituellen Tempelreinigung werden und der Spaziergang zur festlichen Prozession der Sinne. Sie finden sich in unterschiedlichen Bereichen des Lebens wieder.

In der Entwicklung eines Kindes spielen sie eine besonders wichtige Rolle. Der Essensspruch kann den Hunger wecken, die Gutenacht-Geschichte versüßt die Träume und die tägliche Zahnreinigung, kann die persönlichen Hygienerichtlinien für das ganze Leben verankern. Kinder, deren Alltag rituell gegliedert ist, sind weniger krankheitsanfällig, psychisch stabiler und erfolgreicher im Kindergarten und Schule. Rituale sind der leichte Einstieg in unsere von Regeln gegliederte Welt. Sie lehren, die Zeit in Arbeit und Freizeit zu unterteilen und die Arbeit zu einem Festakt sowie die Erholung zu einer Aufgabe umzuwidmen. Sie können das Leben spielerisch rhythmisieren, sie lehren uns die Work-Life-Balance an jedem Ort zu jeder Zeit zu erschaffen.